Dienstag, 23. November 2010

83 Tage

3 Monate sind es schon fast, die ich hier in Ghana bin.
3 Monate-
¼ Jahr.
Kann sich das einer vorstellen? Während die Zeit Zuhause ohne mich vergeht und sich die deutsche Welt ohne mich dreht, vergeht hier die Zeit wie im Flug.
3 Monate = „Krisenzeit“. Das wurde uns auf dem Seminar in Friedrichshafen erklärt. Mit einer Kurve wurde uns deutlich gemacht, dass uns nach unserem anfänglichen „Höhenflug“ nach 3 Monaten die Krise bevorstehen würde und ein bisschen behalten diese Psychologen doch immer Recht.
Da klatscht der ein oder andere also auch mal unsanft mitten aus seinem Höhenflug auf den groben afrikanischen Steinboden und fühlt sich dann plötzlich doch nicht mehr so federleicht und frei, sondern schwer und gänzlich „unfrei“.
83 Tage sind vergangen und so langsam mag man sagen, dass man sich an die vielen kleinen und großen Unterschiede gewöhnt hat. Das stimmt aber nicht immer. Um hier die Kurve zu bekommen bedarf es einiges mehr als Lebensfreude, Offenheit und den Drang zu helfen. Man braucht Spontanität, Charakter, Durchhaltevermögen, man muss verzichten können und sich den Aufgaben des Alltags jeden Tag von neuem stellen.
Spontanität:
Es läuft nie so, wie es laufen soll oder wie man es geplant hat. Das Planen sollte man hier eh ganz weit von sich schieben. Über einen Monat wird hier selten was geplant. Man lebt im Hier und Jetzt. Das ist manchmal ganz schön schwierig denn während wir Deutschen ständig und immer alles durchplanen, gibt es hier Planung und Kalender so oft, wie Schnee. Spontanität ist das Gesetz. Und das klappt ( meines Erachtens) auch ganz gut. Meistens. Wohin also mit Kalender und Co wenn man die Dinge auch spontan über die Bühne bringen kann? Als ich letztens zu Daniel sagte, ich hätte einen Kalender gemacht, da fing er an zu lachen und konnte ja fast gar nicht mehr aufhören „you people!“ war seine Antwort auf meine deutsche Planungswut.
Durchhaltevermögen:
Halte durch, egal was kommt. Deutsches Rumgejammer gibt’s hier nicht! Zähne zusammen beißen und durch ist die Devise! Man muss hier lernen, sich nicht unterkriegen zu lassen, wenn mal was schief geht, der Schuss völlig nach hinten losgeht oder man mal ne Woche wegen Malaria flach liegt. Es hat alles seinen Sinn, muss man sich immer sagen und außerdem stärkt es den Charakter!
Charakter :
Ja, das Jahr hier stärkt meinen Charakter ganz sicherlich, aber noch sicherer ist es, dass er sich verändert! In wie fern, dass kann ich momentan noch gar nicht sagen, aber ich merke im Moment schon selber, dass ich mich ein wenig verändere. Positiv- negativ?...keine Ahnung, jedenfalls tut sich was ;)…
Verzichten können:
Ja, das muss man hier und das braucht man ja auch eigentlich gar nicht zu erwähnen, denn das ist wahrscheinlich einer der ersten Sachen, die einem einfallen, wenn man an Afrika denkt. Trotzdem ist es immer wieder wichtig, sich diesen Aspekt im Kopf zu behalten. Klar verzichtet man hier auf materielle Dinge, aber was man ganz oft völlig vergisst ist, dass man auch auf seine ganzen Freunde, auf seine Familie und auf seine vertraute Umgebung verzichten muss. Eins habe ich bereits gelernt: die ganzen materiellen Dinge, die fehlen einem gar nicht so!... Am Anfang dachte ich mir noch „oh mein Gott, was wirst du bloß ohne warme Dusche machen, ohne ständig zu Telefonieren, was mach ich ohne ständiges Internet oder Strom.“ Aber das ist es nicht! Der Verzicht auf all diese Dinge ist gar nicht so schlimm. Viel mehr drückt einen der Verzicht der vertrauten Gesichter, der vertrauten Umgebung und dem vertrauten Alltagleben auf den Magen. Es ist jetzt nicht „grauenvoll“, diese Dinge mal für ein Jahr nicht zu haben, aber man denkt schon nach und es wird einem auch ohne jede Frage von Tag zu Tag mehr bewusst, was und wer einem wirklich wichtig ist. Diese Erkenntnis schockt mich manchmal richtig, aber ich denke, es ist ein Prozess, der sich grade in mir abspielt.
Sich den Aufgaben des Alltags jeden Tag von neuem stellen:
Wo fängt man da am besten an?!....
Aufgaben des Alltags gibt es hier viele, aber auch keine. Klingt komisch? Irgendwie schon, ist aber so.
Einen wirklichen Alltag, so wie ich ihn aus Deutschland kenne gibt es hier so ganz eigentlich sowieso nicht. Aufgaben dafür umso mehr!
Franzi und meine Aufgabe ist es, sich um das Projekt „ orphans and vulnerable children“ in Nadowli zu kümmern. Viele, viele Kinder also, mit noch mehr Problemen. Jeden Tag kommt etwa ein neues Problem dazu, was bedeutet, dass wir immer auf alles vorbereitet sein müssen. Aus dem Grund kann man nicht wirklich sagen, ob es Alltag ,oder eher ein tägliches neues Abenteuer ist! ;)

Was auf jeden Fall nicht dem Alltag entspricht ist, weiße Menschen zu treffen. In Jirapa wohnt aber ausgerechnet ein deutscher Arzt, der hier seit 16 Jahren lebt. Als er vor einiger Zeit das erste Mal durch unser Hoftor spazierte, war ich ganz schön verwundert und hatte, so wie alle schwarzen Kinder kreischender Weise mit dem Wort „Nassaaaaaaaaala (Weißer) vor unserer Tür !!!!!! KOMMT SCHNELL RAUS, da steht ein weißer Mann vor unserer Tür!!“ die übrigen Freiwilligen mobilisiert und seit dem ist Dr. Funk unserer neuer Freund und Helfer in Krankheitsfragen jeglicher Art =)… Vorgestern hat er uns sogar bei sich zum Essen eingeladen und es gab Nudeln, Gehacktes und Salat!...Ein Festessen, wenn gleich es für meine zarten Geschmacksknospen auch ein kleines Bisschen zu scharf war. Aber leeeeeecker ;)…

Nachdem mein Laptop leider kaputt gegangen ist und ich alle Dokumente und Bilder verloren habe, haben wir ein paar neue Bildchen gemacht ;)....viel Spaß !!

Ich hatte mich mal beschwert, dass es für weiße Männer einfacher ist, abends alleine auf die Straße zu gehen und da kam mir und Jeff eine Idee : Geschlechtertausch !


Links : Ich
rechts: Lena

Tina, Franzi, Lena und ich am See

Lena und ich

ich und Stina auf dem Weg nach Wa (im Trotro)

Franzi und mein Zimmer

Franzi und ich mit einer der zwei Gruppen von unseren Waisenkindern


unsere neue "chillarea" =D

Ich und Lena

Geschlechtertausch: Ich und Eunice ( eines von unseren Hausmädchen), musste leider auch dran glauben

Donnerstag, 11. November 2010

Fotos aus Nadowli, Wa und Jirapa

Mein neuer kleiner Schützling. Anabandiri ist 9 Monate alt. Er hat keine Eltern mehr und keine Familienangehörigen, außer der Großmutter (links). Wenn die Großmutter stirbt, dann wird sich keiner um den Kleinen kümmern. Wenn dich nie Muttermilch bekommen und isst stattdessen schon mit seinen 9 Monaten ( und seit er geboren ist) das normale Essen der Großmutter mit. Diese hat leider kein Geld ihm Nahrung zu kaufen, die er als Baby unbedingt benötigen würde, was auch der Grund dafür ist, dass er noch sehr jung und unterentwickelt aussieht. Durch unser Projekt konnten wir vorerst zumindest Pulvermilch für den kleinen kaufen, dennoch sind unsere Ressourcen knapp und ich werde mich sehr wahrscheinlich dem kleinen annehmen und persönlich für ihn spenden. Wenn ihr das auch tuen wollt, dann würde ich mich sehr freuen, wenn ihr auch für ihn spenden wollt und wenn es nur 1 Euro im Monat ist ( 1 Monat Nahrung für den Kleinen zu besorgen kostet ca 15- 20 Euro).



2 Klassen in einer Kirche

Meine Kinder beim Nachmittagsunterricht

Nadowli

In der Bäckerei, Kuchen backen =)

                                                      Schuhladen auf ghanaisch

Donnerstag, 4. November 2010

was ich liebe ...

...Das sind die kleinen, aber feinen Unterschiede, die einem täglich begegnen und schmunzeln lassen und machen, dass man sich glücklich fühlt. Ganz einfache Dinge, die normalerweise von wenig Wert sind, oder zumindest oft übersehen werden.
Ich kann es nicht genau benennen, dieses Glücksgefühl, aber ich weiß die Dinge, die mich zum lachen und zum weinen bringen, die mich wütend machen und die mich liebevoll stimmen, dass diese Dinge ein Teil davon sind.
Bevor ich hier hin gekommen bin hatte ich keine Vorstellungen, keine Erwatungen in dem Sinne. Jeder hat doch Erwartungen. Aber ich hatte sie irgendwie nicht. Ich war einfach in Deutschland, genauso, wie ich jetzt einfach hier bin. Und genau das ist es , was zu meinem Glück beiträgt- ich lebe einfach. Ich gehe auf in Dingen, in denen ich vorher nie vermutet hätte aufzugehen. Es sind die kleinen Dinge, nicht die großen, die glücklich machen. Das vergessen wir in unserer geld- und erfolgsorientierten Gesellschaft sehr schnell- leider.
Es ist nicht immer alles einfach, aber es ist genauso wenig immer alles schwer. Man sollte positiv denken, sei etwas noch so schlimm, nach vorne blicken. Das hab ich gelernt und es ist super!
Wenn ich morgens aufstehe und am Vortag Brot fürs Frühstück gekauft habe, dann ist es vermutlich an diesem Morgen schon gar nicht mehr da. Aber was macht das schon, wenn man sich ein zweites Mal auf sein Rad schwingt und das morgendlich Treiben in Jirapa beobachten kann? Mit Menschen sprechen kann und dabei frische Luft bekommt?!...was macht es schon aus, wenn man Messer benutzen könnte, aber einfach immer Teelöffel zum Brot bestreichen benutzt, weil es halt so ist? …oder mit den Händen isst? …Was spricht eigentlich gegen eine eiskalte Dusche am Morgen? Wieso immer warmes Wasser?
Wofür braucht die Welt dauernd Strom, wenn es abends im Kerzenschein oder draußen unterm Sternenhimmel viel gemütlicher ist? Was nützt fließend Wasser, wenn man auch keines haben kann und stattdessen einen Morgenspaziergang durch die hintersten Dörfer macht, dabei Gespräche führen kann und mit Menschen am Brunnen sitzt und sich Geschichten erzählt?
Wofür braucht jeder ein Auto, oder zwei, oder gar drei, wenn die Fahrt in die nächste Stadt zwar länger dauert, aber dafür unterhaltsamer ist?
Braucht man denn unbedingt einen Fernseher? Man kann doch auch draußen in der Sonne sitzen, lesen und sich bräunen lassen.
All diese Dinge, die wir Zuhause für selbstverständlich nehmen, sind hier keineswegs selbstverständlich. Für die einen mag es nervig sein, auf das Ein oder Andere verzichten zu müssen, oder mal zurückzustecken, aber was uns glaub ich allen bewusst geworden ist, ist die Tatsache, dass wir diese kleinen Unterschiede insgeheim lieben, denn sie machen das Leben zwar nicht grade einfacher, aber dafür lebens-/ liebenswert.
Meine Waisenkinder in Nadowli haben sogar noch weniger. Manche haben kein Zuhause, keine Familie, kein Essen oder nicht genug Wasser. Manche sind blind, es fehlt ihnen ein Arm, oder sie können nicht richtig laufen, lesen oder schreiben. Trotzdem begegnen sie mir bei jedem Treffen mit einem Lächeln und freuen sich auf den bevorstehenden Tag. Und ich lächle zurück, weil mich es glücklich macht, sie zu sehen und ihre Geschichten zu teilen, seien sie noch so erschütternd. An alle meine Spender und an alle, die vielleicht noch spenden wollen, ich und vor allem die Kinder sind euch sehr dankbar, dass ihr einen Teil von eurem Leben dazu beitragt, diesen Kindern zu helfen. Heute konnte ein Mädchen (Halbwaise), deren Schule bereits im August begonnen hatte, das erste Mal zur Schule gehen. Vor 2Wochen saß sie noch mit mir in unserm Wohnzimmer und hat geweint und sich dafür geschämt, dass sie weinte. Gestern kam sie und hat gelacht, über beide Ohren. Das war ihr persönliches Glückserlebnis. Und auch ein bisschen meins.
Ein blindes Mädchen ist in meiner Gruppe. Unter ca 140 Waisenkinder ist sie eine von zwei übriggebliebenen, die im Moment keine Schule besuchen kann, weil das Geld fehlt. Ein schlimmes Schicksal, was mich sehr berührt hat, denn ihre Mutter ist blind, ihr Vater ist tot, ihre Tante, die sich um sie kümmert ist ebenfalls blind, genauso, wie ihr Onkel. Sie hat keine Krankenversicherung und ihre Augen wurden noch nie von einem Arzt begutachtet. Trotz ihrer Behinderung kommt die ganze Familie, zu jedem Treffen und legt dabei teilweise einen weiten Weg zurück. Nächste Woche werde ich ein Bild von Loveliest auf meine Blogseite stellen. Es ist nicht im Interesse der Organisation (okay, vielleicht im gewissen Sinne schon ein bisschen) …aber ich würde mich sehr freuen, wenn ihr meinen Beitrag lest und genauso von ihrem Schicksal berührt seid wie ich und ganz speziell für sie spenden wollt. Ich werde auch noch weitere Dinge über sie erzählen und sie zu ihrer Schule und nach hause begleiten, um zu helfen, soweit es mir möglich ist.
Ich hoffe, dass ich euch meine Erfahrungen und Gedanken in meinen Blogeinträgen gut vermitteln kann und freue mich übrigens sehr, dass ihr so fleißig meine Seite lest ;)…!